Die HTL Ried hat 2002 den Betrieb aufgenommen und ist seitdem zu einer Kaderschmiede für die heimischen Unternehmen geworden. Seit zehn Jahren leitet Wolfgang Billinger als Direktor die Schule. Im Interview spricht er über die Stärken der HTL, die Zukunftspläne und darüber, was die Schülerinnen und Schüler auszeichnet.
OÖN: Herr Billinger - welche Bilanz ziehen Sie nach 20 Jahren HTL und 10 Jahren als Direktor?
Wolfgang Billinger: Wir haben uns etabliert als gestandene Maschinenbau-HTL, haben uns auf diesen Bereich konzentriert, und da sind wir erfolgreich unterwegs.
OÖN: Und Ihre persönliche Erfahrung?
Wolfgang Billinger: Es ist eine Freude, mit den Menschen an dieser Schule zu arbeiten. Wir haben sehr engagierte Schülerinnen und Schüler, und ich kann sagen: Die Schule lebt! Es ist wirklich eine Freude, wenn man in die Klassen hineingeht.
OÖN: Das Innviertel besticht durch viele Top-Firmen und durch ein hohes Maß an Technologie und Wissen. Wo gliedern Sie die HTL in diesen Wissens-Cluster ein?
Wolfgang Billinger: Wir verstehen uns als Bildungsinstitution, in der wir bei den jungen Menschen die Grundlagen festigen und das Basiswissen mitgeben, damit sie sich weiterentwickeln können. Sie kriegen das Wissen mit, sodass sie in den Firmen bestehen können. Es gibt ja mehrere Möglichkeiten: Entweder die Absolventen gehen gleich in eine Firma oder studieren. Oder sie gehen zuerst arbeiten und studieren dann - da kommen Spitzenleute heraus. Auf der anderen Seite brauchen die Firmen die Ingenieure, die die Entwicklung in verschiedensten Berufsfeldern vorantreiben.
OÖN: Wie spüren Sie den Arbeitskräftemangel?
Wolfgang Billinger: Die Firmen dürfen sich bei uns entsprechend bewerben und Kontakt mit den Schülern aufnehmen. Wir haben rund 50 Firmen im Förderverein, und es gibt Firmen, die bräuchten vier, fünf Absolventen. Also: Das geht sich nicht aus mit unseren Absolventen. Der Fachkräftemangel ist akut, das spüren auch wir. Und ob's besser wird? Ich seh am Horizont schon Gewitterwolken, aber ich bin nicht in Sorge um unsere Absolventen, die haben auch weiterhin gute Chancen und können oftmals auch noch aus mehreren Angeboten wählen.
OÖN: Ist Spezialisierung auf bestimmte Ausbildungszweige der Weg der Zukunft?
Wolfgang Billinger: Spezialzweige brauchen wir, dass sich die Schüler drinnen wiederfinden und wir sie damit in die Schule holen. Wenn ein Schüler sagt, das ist meine Welt, kann er hier seine Spitzenleistung abrufen und fühlt sich wohl. Das heißt aber nicht, dass jeder im jeweiligen Spezialzweig bleibt oder in einer spezialisierten Firma unterkommt. Unsere Absolventen sind nach wie vor flexibel einsetzbar. Jeder kann aber dort, wo er speziell ausgebildet wurde, die Höchstleistung abrufen. In unserem Leitbild steht, wir sind eine "leistungsorientierte Wohlfühlschule". Leistung muss passen, dann gibt's auch Raum zum Wohlfühlen.
OÖN: Wie hoch ist die Drop-Out-Rate bis zur 5. Klasse?
Wolfgang Billinger: Ich will das Wort Drop-Out nicht hören, das stimmt nicht. Das würde ja heißen, wer unter der Zeit aufhört, ist nicht in Ausbildung und steht quasi auf der Straße. Auch jene, die zwei, drei Jahre bei uns gegangen sind, haben zumindest eine teilweise Ausbildung und profitieren davon, wenn sie zu arbeiten beginnen.Ich habe mich daher entschieden, den Begriff "Behaltequote" zu verwenden. Die rechne ich aber nicht von der 1. bis zur 5. Klasse, sondern erst ab der zweiten Klasse. Es sind etliche dabei, die die 1. Klasse anstatt des Poly machen und dann eine Lehre beginnen.
OÖN: Wie hoch ist die Behaltequote?
Wolfgang Billinger: Die Behaltequote liegt ab der zweiten Klasse bei rund 80 Prozent, das ist ein schöner Wert.
OÖN: Wie sieht das Verhältnis Schülerinnen und Schüler aus?
Wolfgang Billinger: Wir hatten früher einen Mädchenanteil von sieben bis acht Prozent. Für eine Maschinenbau-HTL ist das ein Spitzenwert. Die Mädchen bereichern jede Klasse. Bei der Jubiläumsfeier hat übrigens auch eine Schülerin die Moderation übernommen. Unsere Mädchen wissen sehr genau, was sie wollen. Oft mehr noch als die Burschen.
OÖN: Das Zusammenspiel Lehrer, Schüler und Eltern wird hier durch die Wirtschaft ergänzt. Was bedeutet das?
Wolfgang Billinger: Unser Förderverein der HTL Ried unterstützt uns sehr. Ohne den gäbe es die HTL nicht, definitiv nicht. Bei der 20-Jahr-Feier sind daher auch wesentliche Unterstützer geehrt worden, das war uns ein Anliegen. Die HTL Ried ist jene, die am schnellsten gegründet worden ist. Es gab ein entscheidendes Telefonat im Jänner 2001, und im Herbst 2002 sind die ersten Schüler hereinmarschiert. Das ist schon bemerkenswert. Darum feiern wir das Jubiläum auch gebührend.
OÖN: Was sind die größten Veränderungen der vergangenen Jahre?
Wolfgang Billinger: Dass wir uns so platziert haben, wie wir jetzt dastehen. Zum Beispiel mit dem Spezialsegment Agrar- und Umwelttechnik. Damit haben wir den Punkt getroffen. Mit diesem Ausbildungszweig sprechen wir die richtige Zielgruppe an, das war ein Mega-Erfolg, damit wollten wir uns die dritte Klasse absichern. Wir hatten bisher immer zwei Drittel Anmeldungen in Fertigungstechnik/Leichtbau, ein Drittel in Agrar- und Umwelttechnik. Heuer ist es erstmals umgekehrt.
OÖN: Und der Weg in die Zukunft?
Wolfgang Billinger: Wir gehen und denken jetzt schon in die Zukunft. Mein Nachfolger ist schon definiert, wir müssen jetzt aktiv werden und dürfen nichts verschlafen. Wir denken darüber nach, wo wir nachschärfen können, das dauert ein paar Jahre, bis man die Veränderung dann auch spürt. Die Weichen für die nächsten zehn Jahre müssen wir jetzt stellen.
OÖN: Ihre Ziele und Wünsche?
Wolfgang Billinger: Ich wünsche unseren Schülern, dass die Wirtschaft weiterhin stark bleibt. Was auf uns zukommt, ist unsicher, das schlägt vermutlich nächstes Jahr so richtig auf. Und ich möchte, dass wir als Maschinenbau-HTL nicht verstauben und topaktuell bleiben. Maschinenbau ist nicht als Diskrepanz zur Digitalisierung zu sehen. Wir sind nicht die, die mit Bytes und Bits herumprogrammieren. Wir sind die Umsetzer, die die Digitaliserung bei den Leuten ankommen lassen. Digitalisierung, Robotik, Green Technologies - danach wird sich auch der neue Lehrplan ausrichten müssen. In diesem Zusammenhang schätze ich die Möglichkeiten der Schulautonomie sehr.
Text: Roman Kloibhofer (OÖN) und HTL Ried
Fotos: Heinz Daniel Brandner